In diesen düsteren Zeiten, wo sich Bedrohungen und Krisen so auftürmen, dass man nicht mehr weiss, welche man am meisten zu fürchten hat, sind Resignation und Verzweiflung nicht mehr fern. Doch sie sind falsch und bequem noch dazu: Weil wir nicht wissen, was die Zukunft bringt, und somit Hoffnungslosigkeit eine Art Kaffeesatzlesen mit pessimistischer Brille ist und weil Resignation uns davon befreit, etwas tun zu müssen. – Ein Plädoyer für die Hoffnung.
Es sind nicht die die dümmsten Köpfe, die aufs Prinzip Hoffnung setzen. So schrieb Friedrich Hölderlin in seinem Hyperion: «Es lebte nichts, wenn es nicht hoffte.» Und Ovid hielt in Metamorphosen fest: «Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt.» Und schliesslich Anne Frank in ihrem Tagebuch (Eintrag vom 15. Juli 1944): «Es ist ein Wunder, dass ich all meine Hoffnungen noch nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube.»
Ein besonders kluges und ermutigendes Schlaglicht auf die Notwendigkeit des Hoffens gerade im Zusammenhang mit der Klimaerhitzung richtet die Historikerin Rebecca Solnit in ihrem Artikel im Online-Magazin Republik: «Wir haben kein Recht, vor der Klimakrise zu kapitulieren». Ihr Hauptanliegen: Wer von den Auswirkungen der Klimakrise direkt betroffen ist, zum Beispiel gegen die Flut oder das Feuer kämpft, kann «es sich nicht leisten, die Hoffnung zu verlieren. Warum also sollten wir das tun?» Ihr Essay ist ein argumentreicher Booster gegen die Lähmung, die sich angesichts der schieren Aussichtslosigkeit einstellen kann, dass die Klimaerhitzung noch rechtzeitig aufgehalten wird. Tatsächlich ist sie für die meisten Menschen bereits spürbar. Doch «wer sich sicher ist, dass wir alle zur Hölle fahren (…), der spricht sich selbst vom Zwang zum Handeln frei». Er denkt vielleicht, dass das Problem nicht zu lösen ist, dass der Mensch mit seiner Anmassung gegenüber der Natur sowieso allen Kredit verspielt und nun halt das Nachsehen hat.
Widerstand gegen die Macht des Faktischen
Derartige Sophistereien können sich jene nicht leisten, für welche die Klimaerhitzung bereits heute eine existenzielle Bedrohung darstellt. Angesichts der entfesselten Naturgewalten tun sie das Notwendige, um zu überleben. Sie dürfen vor der Bedrohung nicht kapitulieren. «Die Notleidenden sind manchmal selbst verbittert und erschöpft, aber oft hartnäckig hoffnungsvoll. Selbst wenn sie sagen würden, dass sie die Hoffnung verloren haben, ist ihre Beharrlichkeit doch eine Art Hoffnung, eine Verweigerung der Kapitulation. (…) Selbst wenn die Bestandsaufnahme keinen Raum für Hoffnung lässt, stehen viele auf und leisten Widerstand – aus Prinzip.» So Solnit in ihrem Essay.
Und es folgen unzählige Beispiele von Menschen und Gemeinschaften, die sich trotz geringer Aussichten gegen die Macht des Faktischen wehren: etwa die Pacific Climate Warriors, die sich in Inselnationen des Pazifik, welche vom Meeresanstieg bedroht sind, für Klimagerechtigkeit einsetzen, oder der jahrelange Widerstand der Indigenen in den Vereinigten Staaten gegen die Keystone XL Pipeline, die nach zähem Ringen letztlich doch verhindert werden konnte.
Aufruf zum Prinzip Hoffnung
Wer die Hoffnung aufgibt, verliert aus dem Blick, dass die Geschichte sich nicht stetig und linear entwickelt, sondern oft in Brüchen verläuft. Der Fall der Berliner Mauer ist noch bis kurz davor undenkbar geblieben. Und doch geschah dies nicht aus dem Nichts, sondern hatte – im Rückblick gesehen – durchaus seine Logik. Der Druck der Strasse wurde grösser, bis das DDR-Regime trotz dessen repressiver Kraft, die Entwicklung nicht mehr aufhalten konnte.
Rebecca Solnit zur vermeintlichen Aussichtslosigkeit in der Geschichte: «Wer den Untergang prophezeit, behauptet, er habe orakelhafte Fähigkeiten. Solch ein Zyniker hält sich selbst oft für weltklug, für jemanden, der sich nicht täuschen lässt. Dabei beruht der Zynismus oft selbst auf einer Täuschung darüber, was möglich ist und wie der Lauf der Welt funktioniert.»
Der ganze Essay Solnits ist ein intelligenter und wohltuender Aufruf gegen die Resignation, die gerade hier im Westen um sich greift, gegen den Rückzug ins Private und für das beharrliche Mitwirken an der Gestaltung der Zukunft – und ein flammender Aufruf zum Prinzip Hoffnung: «Wer hofft, geht ins Risiko. Man riskiert zu verlieren. Hoffen bedeutet aber auch, den Sieg zu riskieren. Und siegen kann nur, wer sich versucht. (…) Wir, die wir ein materiell sicheres und bequemes Leben führen und zu Gesellschaften gehören, die den Löwenanteil der Treibhausgase verursachen, haben nicht das Recht, im Namen anderer zu kapitulieren. Wir haben die Pflicht, solidarisch mit ihnen zu handeln.»
Ein therapeutischer Text für die westliche Seele in Endzeitstimmung! Hier kann man ihn in voller Länge lesen – oder sich vorlesen lassen, und zwar nicht von einer synthetischen, sondern von einer echten, menschlichen Stimme.
Bild: Grossflächiges Vaclav-Havel-Zitat, gefunden an der Giebelwand eines Wohnblocks in Weimar in der Ettersburger Strasse (stadtauswärts rechts). (Creativ Commons via Wikimedia Commons)
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