Brief aus der Sicherheitsquarantäne

Werte Leserin, werter Leser, liebe Freunde und Bekannte

Seit gestern bereue ich es zum ersten Mal, dass ich mich dazu entschlossen hatte, in eine Institution für Menschen mit Behinderung einzutreten. Denn seit gestern bin ich in Sicherheitsquarantäne, ohne dass ein Ende abzusehen ist. Das heisst, ich muss, wie alle Bewohnerinnen und Bewohner, auf Anordnung des Kantonsarztes in meinem Zimmer bleiben, darf keine direkten Kontakte mit den anderen haben, keinen Besuch empfangen und bekomme das Essen aufs Zimmer serviert. Nicht einmal den genauen Grund für diese doch sehr drastische Massnahme habe ich erfahren. Es heisst, jemand vom Pflegepersonal sei positiv getestet worden.

Wenn das der wahre Grund ist, so blicke ich mit Grauen auf die nächsten Wochen. Denn bei den aktuellen Infektionszahlen wird man unter unserem Pflegepersonal immer wieder jemanden finden, der/die positiv getestet ist – mit fatalen Folgen für alle BewohnerInnen, die zwecks Isolation pauschal zu Zimmerarrest verdonnert werden. Für wie lange und in welchem künftigen Rhythmus, ist bei der angespannten Lage völlig offen.

Das ist unerträglich. Eines meiner grundlegenden Rechte wird ohne einsehbaren Grund massiv eingeschränkt. Nun höre ich sie zwar schon, die Coronaskeptikerinnen, Massnahmengegner und Querdenkerinnen, wie sie rufen: «Das sagen wir ja schon lange! Endlich hat’s wieder wer begriffen.» Doch es ist nicht das, was ich meine. Wenn’s epidemiologisch einen plausiblen Grund gibt, mich zu isolieren, damit ich nicht krank werde und/oder jemanden anstecke, so biete ich Hand dafür. Wenn ich bis auf weiteres meiner Freiheit beraubt werde, bloss weil ein Kantonsarzt fernab unserer Institution undifferenziert und wohl aus gewisser Omikron-Panik heraus zum Massnahmenzweihänder greift, so stellen sich mir die Nackenhaare auf und ich bin gezwungen, einen Ausweg zu finden, um zunächst mich und möglichst auch meine MitbewohnerInnen vor Willkür zu schützen.

Vorläufig warte ich ab. Schnellschüsse sind nicht mein Ding. Mal ein paar Tage in Sicherheitsquarantäne kann man auch als Auszeit umdeuten, als Retraite und besondere Erfahrung. Warum nicht? Viele von uns machen zurzeit ähnliche Erfahrungen. Doch wenn das kein Ende nimmt, werde ich mir zu helfen wissen.

Mit freundlichem Gruss aus dem Zimmer – Walter B.

Comments

  1. Ich glaube nicht, dass diese Strategie, die Bewohner zu Einzelhaft, zu verdonnern, erfolgreich sein wird. Diese Anordnung und damit das fehlende Mitspracherecht, welche Entscheidungsfreiheit, Lebensqualität und Autonomie extrem beschneiden, machen mich sprachlos.

  2. Hallo Walti Danke für dein Bericht. ich finde, du hast geschrieben. Eine Frage löste bei mir auf, wann den Datenschutz beginnt und er wieder aufhört? ich meine, es würde uns vielleicht helfen, wer krank ist. Liebe grüsse Jan

    • Lieber Jan, ich glaube nicht, dass es wichtig ist zu wissen, wer genau positiv getestet wurde, aber natürlich, in welchem Team die Person ist und ob es einE BewohnerIn ist oder jemand von der Pflege. Es wäre eher ungut, so glaube ich, die Person mit Namen zu kennen, die Ursache dafür ist, dass wir zu Zimmerarrest verdonnert sind. Das würde bei einigen von uns Ressentiments gegen diese Person hervorrufen. Und das ist jetzt wirklich nicht das, was wir in diesen Zeiten brauchen – und ist auch nicht sachgerecht. Sobald du zum Beispiel in einer Familie mit Kindern oder Jugendlichen lebst, ist die Chance gross, dass du früher oder später positiv gestestet wirst.
      Lieber Gruss – Walter

  3. Seraina says:

    super geschrieben! toll von dir zu lesen:-) ich wünsche dir ganz viel duchhaltevermögen

  4. Das ist ja nun noch mal eine ganz andere Nummer, als die Nebensächlichkeiten über die sich so manch Querdenker aufregt, die dürfen schließlich draußen herum rennen und Unfrieden stiften, während andere mal eben zu Insassen werden. Meine Großmutter, 101 Jahre übrigens auch.
    Nerven behalten!

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..