Gemeinsam für eine offene Gesellschaft

Was können wir tun angesichts des Diskurses von Ausgrenzung und Hass? Was gegen Lüge und Angst? Es ist nicht viel. Doch das Wenige sollten wir tun. – Ein Aufruf.

In was für Zeiten sind wir da hineingeraten! Alte Gespenster erwachen zu neuem Leben. Ausgrenzung und Hass werden wieder salonfähig. Mitten unter uns feiern Menschenverachtung und Rassismus ihr Comeback, teils subtil, teils auch ganz unverhohlen und zu besten Sendezeiten. Ein ruppiger gesellschaftlicher Wind drängt die Befürworter einer farbigen, vielfältigen und offenen Gesellschaft in die Defensive. Sie werden als Gutmenschen verhöhnt, als Träumer, die sich der Wirklichkeit verweigern. Ihre Argumente drohen unterzugehen im verächtlichen Gerede der neuen Rechten, die mit ihrem Diskurs der Angst manchenorts Missgunst, Feindseligkeit und Hass weckt und bewirtschaftet – nicht nur, aber auch in der Schweiz. Dieses Gefasel ist seit der Wahl des neuen US-Präsidenten noch lauter geworden. Es zerfrisst tragende Säulen unserer Gesellschaften und der Demokratie. Und der Wandel ist nicht mehr schleichend. Er galoppiert in eine Richtung, die wir noch vor kurzem für nicht möglich gehalten hätten.

Wie schnell das alles gegangen ist! Und niemand hat mich gefragt. Dabei hätte ich euch sagen können, dass dieser neue Diskurs auf Lügen beruht: Die Flüchtlinge seien Schuld an der Misere der vom Abstieg bedrohten Mittelschicht. Lüge! Und ein völlig verqueres Argument! Ausgerechnet jene bringen es ins Spiel, die seit Jahrenzehnten dafür sorgen, dass die wirtschaftlichen Erträge nach oben verteilt werden, also weg von der Mittelschicht, und gleichzeitig der Sozialstaat geschwächt wird, weil er des Teufels ist. Es sind auch jene, die mit der ausbeuterischen Internationalen verbandelt sind, zum Beispiel mit den Rohstoffkonzernen, welche die Länder des Südens systematisch ausplündern und so erst eine der Voraussetzungen für den Exodus der Flüchtlinge schaffen. Eben diese Männer – ja, es sind in ihrer Mehrzahl Männer – wollen uns nun weismachen, die Flüchtlinge seien gekommen, um uns alles wegzunehmen. Keine Frage, die Wut und Ängste der Verlierer sollen in eine bestimmte Richtung gelenkt werden: nach unten statt nach oben.

Unsere liberalen Gesellschaften stehen unter Druck – durch den Liberalismus. Denn auch die Rede vom Liberalismus ist ein Etikettenschwindel. Sie zielt in der heutigen Form einseitig auf die Befreiung, die Entfesselung der Märkte und des Kapitals. Doch bei der Mehrzahl der Menschen kommt von den modernen Verheissungen des Liberalismus nichts an, weder als Freiheitsmoment noch in Form von Wohlstand. Im Gegenteil! Der wirtschaftliche Liberalismus macht viele arbeitslos und raubt ihnen jegliche Perspektive. Der Liberalismus wird von den meisten Menschen nicht als Befreiung erlebt, sondern als Abstieg, als Versklavung auf einem gnadenlosen Arbeitsmarkt. Dies wiederum erzeugt Verzweiflung, Angst und Wut – Wut gegen die Schwächeren statt Wut gegen die Sklavenhalter. Der Liberalismus als freiheitliche politische und soziale Ordnung steht heute zur Disposition.

Was ist zu tun? Sind wir den Poltergeistern der Gegenwart einfach ausgeliefert? Können wir bloss hoffen, dass das alles schnell vorbei geht und das Pendel wieder in die Gegenrichtung schwingt? Oder können wir etwas gegen die Halluzinationen der Gegenwart tun? – Natürlich können wir etwas tun: zum Beispiel die Lügen berichtigen, immer wieder die Lügen berichtigen, wo immer sie uns begegnen: in der Öffentlichkeit, bei unseren Freunden, den Bekannten, bei uns selbst – wobei das die grösste Herausforderung ist: in einer enger werdenden Welt sich den inneren Horizont nicht verengen zu lassen. – Oder wir können einstehen für Vielfalt, für Farbigkeit, für gesellschaftliche Offenheit. Grad als Menschen mit Behinderung ist es äusserst wichtig, alles für eine offene, inklusive und solidarische Gesellschaft zu tun, für eine Gesellschaft, die niemanden ausschliesst. Die Erfahrung zeigt, dass wir in einer engen, gleichmacherischen und von Ausgrenzung geprägten Gesellschaft bald selbst zu den Ausgegrenzten gehören.

P.S.

So, jetzt habe ich aber auch auf die Pauke gehauen, bin selber etwas zum Wutbürger geworden. Sorry! Das wollte ich eigentlich gar nicht. Wut und Zorn sind keine angemessene Antwort auf die Zumutungen der Gegenwart. Und schon gar nicht Hass. Es wäre absurd, mit Hass und Ausgrenzung gegen Hass und Ausgrenzung anzugehen. Eine ganz andere Kraft lebt in uns, wenn wir für etwas einstehen: eben zum Beispiel für farbige Vielfalt in unserer Gesellschaft, für Inklusion und Offenheit gegenüber allen Teilen unserer Gesellschaft, und zwar ganz konkret im Alltag und im Kleinen. Nicht viel, doch darin dürfen wir uns nicht entmutigen lassen.

Comments

  1. … und Walter B wir müssen die Dinge beim Namen nennen,
    deren Verursacher, deren Auftraggeber, deren Unterstützer, …
    und klar aussprechen und uns sicher sein,
    dass sie alle zur Verantwortung gezogen werden.

    Und wir müssen Respekt und Einhaltung der hiesigen Rechte und Pflichten fordern
    von allen Menschen, die als Gast hier Aufnahme finden,
    so wie sich die Menschen, die hier ihre Gott-gegebene Heimat haben
    auch an diese Rechte/Gesetze gehalten haben und diese friedliche Gesellschaft,
    dieses friedliche Miteinander überhaupt erst möglich gemacht haben.

    Es kann nicht sein,
    dass wir in genau die archaischen, Frauenmissachtenden, das Leben nicht heilig sehenden,
    Kinder nicht schützenden, … Gegebenheiten zurückfallen,
    die wir alle hier in Europa in Jahrzehnten abgebaut und uns eine das Leben schützende Gesellschaft aufgebaut haben.

    Recht und Gerechtigkeit gelten auch für die Menschen, die hier ihre Heimat haben
    und sie sind ebenso Opfer, werden missbraucht für politischen Größenwahn –
    wie die Flüchtlinge, die missbraucht werden für diesen Migrantenkrieg.

    Doch halten wir das in Deutschland/Europa Erreichte JETZT nicht hoch,
    dann werden auch weiterhin weltweit die korrupten Politiker auf Weisungen der Lobbyisten und
    all den Gruppen im Hindergrund diese Erde zerstören.

    WIR ALLE werden die Opfer sein,
    wenn wir hier in Europa es nicht schaffen
    die Politmafia und Kriegstreiber in die Schranken zu weisen,
    wenn wir nicht verhindern,
    dass Großunternehmer in fremde Länder reisen und diese schamlos wirtschaftlich unterwerfen,
    anderen Nationen das Wasser abgraben und die Bodenschätze rauben gegen ein finanzielles Almosen, …
    dass fremde Nationen von Deutschem Boden aus Drohnenkriege führen und Atomwaffen lagern
    und die deutschen Bundeswehrsoldaten missbrauchen in scheinheiligen NATO-Angriffen GEGEN das LEBEN diese Atomsprengköpfe dann auch irgendwann mal abzuschießen.

    Es hilft auch nicht die eigenen Probleme immer weiter und nach oben oder sonstwohin zu verschieben und sich dann angeblich nicht mehr kümmern zu müssen,
    weil man sich ja freigekauft hat.
    Was passiert, wenn ich meinen Atommüll irgendwoanders entsorge???
    Ich bin das Thema los, …. NEIN bin ich nicht, es ist meine Verantwortung, wenn ich diesen Müll produziere, dass ich ihn dann auch wieder abbaue, Alles Andere ist Missbrauch!!!

    Deutsche Firmen, die in anderen Ländern rauben, die Umwelt verschmutzen, …
    sollen auswandern, sie sollen dort vor Ort leben, wenn sie ihre Kleidung in Billiglohnländern von Kindern herstellen lassen, wenn sie Kinder in Minen seltene Erden suchen lassen für die neusten Smartphones, …

    WIR die Menschen in Deutschland wollen Frieden,
    WIR die Menschen in Deutschland wollen LIEBEN,
    WIR die Menschen in Deutschland
    gehen den Weg des Herzens und des Lebens.

    UND JA,
    seid mutig Menschen in Deutschland,
    denn es gibt auch hier vielleicht ganz neue Möglichkeiten jenseits von Konsumwahn und der modernen Sklavenarbeit bis zum letzten Atemzug.
    Kooperationen, Ökodörfer, Leben mit der Natur, Naturprodukte, Deutschland und Europa als Kontinent des Lebens, der biologisch hochwertigen Nahrung, Bioenergie, erneuerbare Energien, … der Berufe, die Berufung sind und die Kreativität der Menschen fördern, …

    WAS brauchen wir wirklich um glücklich zu sein?

    Es gibt so viele Möglichkeiten auf dieser schönen Erde,
    wovon träumen Sie?

  2. Madeleine says:

    Die Worte von Walter erinnern mich an das Lied von K. Wecker, hier nur der Refrain: Empört euch, beschwert euch, und wehrt euch, es ist nie zu spät – empört euch, gehört euch, und liebt euch – und widersteht!
    ja, dieser Refrain wird uns wohl noch lange erhalten bleiben. Hass ist keine Antwort auf die Angst, nur gegen die Ungerechtigkeit kämpfen zehrt an den Kräften, aber für die Vielfalt einstehen gibt Sinn. Wir haben nur diese eine Erde, was im Süden passiert geht uns auch etwas an.

  3. So gaht das says:

    Gefällt mir. 🙂
    Ging jedoch nicht der Krieg als Grund der Flüchtlingsströme vergessen? Ein wichtiger Punkt meines Erachtens.

  4. Es muss endlich respektiert werden, wenn man kein Befürworter einer farbigen, vielfältigen und offenen Gesellschaft ist, sondern den souveränen Nationalstaat als die Basis für Freiheit, Demokratie, Sozial- und Rechtsstaat ansieht und dessen Grenzen und Zuordnung für schützenswert erachtet. Ein großer Teil der Hetze und Spaltung resultiert aus einem selbstermächtigten Rechtsbruch der Kanzlerin.
    In einer Demokratie sollte das Volk selbst über die Zuwanderung in sein Staatsgebiet entscheiden und nicht die Diktatur selbsternannter Moral- und Gutmenschen!

    • Der souveräne Nationalstaat ist auch so ein Phantasma – bei den wirtschaftlichen Verflechtungen weltweit. Der souveräne Nationalstaat lässt sich auch nicht mehr zurückerlangen. Wir sind längst eine Weltgemeinschaft. Und ein Grossteil der Probleme lässt sich nur als Weltgemeinschaft lösen.

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