Menschheit! Wohin?

Grosse Fragen schrecken mich nicht. Auch wenn mir klar ist, dass es darauf in der Regel nur kleine, bruchstückhafte Antworten gibt. Ein Leser meines Blogs und alter Freund hat die Frage aufgeworfen, ob angesichts der Weltlage wirklich bloss Pessimismus, nicht vielleicht auch Optimismus angebracht sei. Mag sein, dass die Frage falsch gestellt oder unbedeutend ist. Mag sein, dass sie gar zynisch anmutet angesichts all der Kriege und Zerstörung nah und fern. – Trotzdem hier der Versuch einer Antwort.

Mein ansonsten wetterfester Optimismus hat in den letzten Monaten und Jahren gelitten. Wie auch soll man angesichts der vielfältigen Herausforderungen und Krisen, die sich wie eine Monsterwelle vor uns auftürmen, frohgemut, ja optimistisch in die Zukunft blicken? Klimaerhitzung und systematische Zerstörung der Natur, Armut und Hunger, die sich ausbreiten, zunehmende Konflikte um Ressourcen, ein dysfunktionales Wirtschaftssystem, auch bekannt als Neoliberalismus, schleichende Verrohung unserer Gesellschaften, Kriege nach altem Muster, auch in Europa – man mag es nicht glauben und beobachtet es doch seit langem: Wir entwickeln uns zurück, hin in Richtung eines technisch bestens ausstaffierten Mittelalters. Zweifellos stecken wir in einer Systemkrise. Wenn das so weitergeht, geht es bald nicht mehr weiter.

Gibt es Gründe für Zuversicht?

Das zu meinem in die Enge getriebenen Optimismus. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass alles Wissen da ist, um es besser zu machen und die Menschheit in ein anderes Fahrwasser zu bringen: Gemeinwohlökonomie, Kreislaufwirtschaft, Basisdemokratie, Verwaltung von Regionen statt Nationen sind nur ein paar Stichworte dazu. Unzählige Bürgerbewegungen und Nichtregierungsorganisationen setzen sich für eine andere, für eine bessere Welt ein. Oft sind sie der einzige moralisch-ethische Kompass in unseren wohlstandsverwahrlosten Gesellschaften. Zwar scheinen sie nicht so wirkmächtig wie die Walze der Macht und des Kapitals, die uns in Richtung Abgrund schiebt, aber in homöopathischer Dosis verabreichen sie unseren Gesellschaften lebensspendende Medizin. Und wer sagt denn, dass Homöopathie nicht wirkt?

Wir wissen nicht, ob wir als Menschheit bald abstürzen werden – oder erst etwas später. Wir wissen nicht, ob wir doch noch die Kurve kriegen und eine Zivilisationswende schaffen, eine Wende, die womöglich kurz bevorsteht und praktisch alle Bereiche der Gesellschaft betreffen muss. Wir wissen bloss, dass wir auf einen Wendepunkt zurasen. Und wir können, wir müssen das Unsere dazu beitragen – und hoffen –, dass wir die Kurve kriegen.

Hoffen, dass sich die Balken biegen

Doch das können wir tun: in aller Bescheidenheit und im Kleinen unser Bestes geben und die Hoffnung nicht verlieren. Wenn wir die Hoffnung fahren lassen, dass eine bessere Welt möglich ist, haben wir schon verloren, von vornherein und ohne, dass ein Schuss gefallen ist. Und viele haben bereits aufgegeben. Das sieht zum Beispiel so aus: Man bestellt sich Popcorn und eine Cola und schaut dem Niedergang mit verhaltenem Interesse zu. Oder wir geben uns für die wenige Zeit, die uns mutmasslich noch bleibt, der Genusssucht hin, indem wir uns so richtig satt konsumieren, ganz nach dem Motto: Jetzt erst recht und nach uns die Sintflut!

Nein, die Hoffnung dürfen wir nicht fahren lassen. Dafür ist ein Quäntchen Optimismus vielleicht doch hilfreich. Noch besser: ein ganzer Korb davon. Es gibt ja auch tausend Gründe dafür, wenn man nur die Verdunklungsbrille ablegt und genauer hinschaut. (Siehe weiter oben!) Im Kleinen bin ich angetan von unserer Zeit und den Menschen um mich. Es sind auch schöne Entwicklungen im Gang, ein Wachsen in die richtige Richtung. Da glimmt ein grosses Potenzial. Doch wenn ich das grosse Ganze betrachte, muss ich mich mit aller Kraft festhalten an meinem Korb voller Optimismus und hoffen, dass sich die Balken biegen.

Comments

  1. Die Hoffnung als Krücke
    um nicht von der Natur
    wir sind Natur
    noch vor dem Abgrund
    mit Blindheit
    geschlagen zu werden

  2. Kisling Veronika says:

    brilliant geschrieben

  3. wolfgang fubel says:

    Es steht zu befürchten, das der Weg in eine bessere Welt mit viel Blut
    und Tot vorgezeichnet ist! Wir haben zu lange zugeschaut, wie sich das
    Abgrund Böse wie eine Pandemie in Unserer schönen Welt ausbreiten
    konnte! Es bleibt Uns wirklich nur die Hoffnung, das dieser Weg nicht
    ganz so Grauenhaft in seiner Beschreibung wird, wie es zur Zeit danach
    aussieht!!

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