IWF-Studie: Kluft zwischen Arm und Reich schuld an der Krise

Ausgerechnet eine IWF-Studie weist auf die fatale Wirkung der ungleichen Einkommensverteilung hin – und empfiehlt unerhörte Rezepte. – Ein völlig subjektiver Bericht.

Den Glauben an die Wirtschaftswissenschaft als Wissenschaft hatte ich bereits aufgegeben. Zu sehr schien mir die Ökonomie von Ideologie geprägt. Zu unsensibel, ja, oft genug geradezu immun war und ist sie gegenüber der Lebensrealität der meisten Menschen. Schön hat das Kai Wright in Le Monde diplomatique vom November 2010 ausgedrückt: „Es mag ja sein, dass die Wirtschaft ‚wächst‘, aber dieses Wachstum ist falsch und betrifft die wirklichen Menschen nur insofern, als es sich auf ihre Kosten vollzieht.“

Die Mechanik der Krise
Ich habe deshalb meinen Ohren nicht getraut, als ich von einer Studie ausgerechnet aus der IWF-Küche vernahm, welche die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich als Ursache für die aktuelle Wirtschaftskrise ansieht. Auch im Vorfeld der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahrer wurde das Ungleichgewicht der Einkommen so extrem, dass es zum Zusammenbruch kam. Der Mechanismus ist in etwa der folgende: Während die Wenigverdienenden sich verschulden müssen, damit sie ihren – oft schon prekären – Lebensstandard in etwa halten können, haben die Besserverdienenden zunehmend „überschüssiges“ Geld, das möglichst gewinnbringend angelegt werden will. Unter dem Druck von beiden Seiten, den Ärmsten wie den Reichsten – gut, vielleicht hauptsächlich unter dem Druck der Reichsten –, werden unrealistische Kreditbedingungen geschaffen, zum Beispiel auf dem Hypothekenmarkt, aber nicht nur dort, Bedingungen, die den Geldkreislaufmotor zwar brummen lassen – allerdings nicht auf realwirtschaftlicher Grundlage, sondern auf Pump. Es sind Kredite, die zwar leicht zu haben sind – was zunächst die Wenigverdienenden freut –, die aber wegen des Risikos ganz schön teuer sind – zur Freude wiederum der Geldgeber und Investoren. In einem solch windigen Umfeld genügt eine unvorhergesehene Entwicklung, zum Beispiel dass die Immobilienpreise nicht wie gewohnt weiterwachsen, um das wacklige Gebäude einstürzen zu lassen. So geschehen in den USA zu Beginn der Krise im Jahr 2007. So geschehen auch im Jahr 1929, zu Beginn der grossen Depression der 1930er Jahre.

Gegensteuer durch Umverteilungspolitik
Vollends gestaunt habe ich, als ich die Schlussfolgerungen von Romain Rancière, einem der Verfasser der Studie, hörte (in einem Beitrag des Echo der Zeit von Radio DRS). Er empfahl der Politik, darauf hin zu wirken, dass die Einkommen der Angestellten erhöht würden, damit sie ihre Schulden abbauen könnten. Die Gewerkschaften müssten zu diesem Zweck gestärkt werden. Ferner liesse sich durch eine angepasste Steuerpolitik das Ungleichgewicht der Einkommen mässigen. Stichworte dazu: Löhne steuerlich entlasten, dafür höhere Steuern auf Einkommen durch Besitz von Boden von von natürlichen Ressourcen – oder auf Einkommen im Finanzsektor. Eine solche Umverteilungspolitik käme die Volkswirtschaft wesentlich günstiger zu stehen als Rettungspakete und Umschuldungen.

Natürlich wusste ich schon vorher, dass es in der Wirtschaftswissenschaft nicht nur Ideologen, sondern auch echte, unvoreingenommene Forscher gibt. Trotzdem ist das Ansehen der Gilde vor meinen Augen deutlich gestiegen. – Und vielleicht ist auch beim IWF noch nicht aller Tage Abend. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

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Weiterführende Links:

Comments

  1. madurskli says:

    Da CONTRACOMA im Spiel ist möchte ich auf einen, bei ihnen verlinkten Artikel hinweisen.
    Er passt so ganz und gar nicht ins Bild das CONTRACOMA üblicherweise von unserer Realität zeichnet:
    http://www.contracoma.com/terminkontrakte-aigner-will-handel-mit-agrarrohstoffen-einschranken-und-provoziert-so-hungertote/

    Zu gute halten möchte ich CONTRACOMA das dies unreflektiert und voreilig geschah und nicht wohlüberlegt!

    In mehreren Recherchen habe ich mich der Behauptung:
    (Den Agrarrohstoffhandel an die Leine zu nehmen befördere Hungersnöte ) angenommen.
    Und es wurde überdeutlich das Ralph Bärlingea neoliberales Gedankengut und den Turbo-Kapitalismus verteidigt!
    Man erlaube mir eine Verlinkung zu meiner Kritik:
    ((Link nicht mehr verfügbar))

    Die Regulierung dieses Marktes ist nicht auf dem Mist einer Ilse Aigner gewachsen .
    Auch die Schweiz arbeitet zur Zeit an einem ähnlichen Vorstoss:
    „Der Bundesrat wird beauftragt, auf nationaler und internationaler Ebene wirksame Massnahmen gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln zu ergreifen.“
    http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20083278

  2. Nun ist der Bock Gärtner, nur warum er gerne die Pflanzen abfrisst, spielt keine Rolle, damit er es aber nicht mehr zu wild treibt und auch noch morgen etwas zu fressen hat, spielt der Bock mit dem Gedanken sich selbst ein Bändchen um den Hals zu legen. Welches ihn zwar nicht vom Fressen abhält, aber gelegentlich, wenn sein Fressrausch ins stocken kommt und er sich in der von ihn geschaffenen Wüste umschaut, daran erinnern soll, dass Pflanzen nachwachsen müssen, damit er später auch noch fressen kann.
    Und damit Pflanzen nachwachsen können, bedarf es dem Gärtner und einen Rest von Samen, dessen man sich gelegentlich besinnt!

    • Natürlich bin ich weit davon entfernt, mit meinem kleinen Bericht dem IWF so etwas wie die Absolution zu erteilen. Und wenn ich am Schluss etwas launig davon träume, dass sich der IWF womöglich zu einer menschlicheren Institution entwickelt, so ist das natürlich fahrlässig und ein dreister Packt mit dem Feind – äh, dem Bock.

      Denn natürlich muss das bestehende System, der Kapitalismus, zuerst platt gewalzt und dem Erdboden gleich gemacht werden. Erst aus den rauchenden Trümmern kann dann eine neue Morgenröte und neues Leben entstehen. 😉

      • Sehe ich nicht so problematisch Walter, ohne den Beitrag hätte ich von der Studie wahrscheinlich nicht mal etwas mitbekommen. Damit wäre ich sicher nicht allein gewesen, aber so konnte ich mich wenigstens etwas mit der Problematik auseinandersetzen.
        Nun hat es ja seine Ursachen, dass ich auf Deine Seite gekommen bin. Schlichtweg bin ich einem Link gefolgt und habe einen Gegenstand gefunden, welcher einen Kommentar wert ist. Eigentlich nicht nur einen Gegenstand (Beitrag), sondern mehrere, doch der Eine (obige) passte gut zum Bock und den Gärtner! An anderer Stelle habe ich etwas zum bedingungslosen Grundeinkommen gelesen, sicherlich auch ein interessantes Thema und der Diskussion würdig. Wobei die Bundstifte im Becher auch nicht uninteressant sind und ein Bild momentaner Verfasstheit bieten. Durchaus interessant und dem Linksetzer sei gedankt!
        Nächtlichen Gruß

  3. Na, also DAS ist ja hoch interessant. Bis jetzt hatten wir ja immer von der Weltpresse in etwa erklärt bekommen, dass es sich bei jenen Hausbesitzern, die von der Subprime-Krise betroffen waren, um Abschaum* handelte – um Leute, die nie eine Hypothek hätten bekommen sollen, weil klar war, dass sie sie nie bezahlen konnten. Und dass diese fetten, faulen Amerikaner sowieso allesamt über ihre Verhältnisse gelebt hätten.

    Da ist dieser Ansatz doch hoch interessant!

    * Das Wort „Abschaum“ ist hier bewusst gewählt, und ich würde es eigentlich nicht brauchen, wenn ich nicht aus den Medien diesen Eindruck bekommen hätte.

    • Ja, Sündenböcke findet man immer. Und so lenkt man davon ab, dass man die Strukturen verändern, menschlicher gestalten sollte. Man hat den Eindruck, die Finanzwirtschaft hat keine, aber auch gar keine Lehren aus der Krise gezogen. Vielleicht weil es so einfach war, Sündenböcke zu benennen.

Trackbacks

  1. […] Ursachen gesellschaftlicher Verwerfungen abzulenken, wie in diesem Beitrag, welcher mit „IWF-Studie: Kluft zwischen Arm und Reich schuld an der Kriese“, überschrieben ist, der Fall. Die Ursachen, warum die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird, […]

  2. […] This post was mentioned on Twitter by CONTRACOMA, Net-News-Express. Net-News-Express said: IWF-Studie: Kluft zwischen Arm und Reich schuld an der Krise: Ausgerechnet eine IWF-Studie weist auf die fatale … http://bit.ly/hlMJmA […]

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