Medienzare vs. «Staatsmedien»

Es wird knapp. Bei der kommenden Abstimmung über einen Ausbau der staatlichen Medienförderung in der Schweiz gewinnen die Gegner Rückenwind. Sie haben das Referendum dagegen ergriffen, um angeblich die Unabhängigkeit der Medien zu stärken und «Staatsmedien» zu verhindern. Doch ihre Argumente sind nicht wasserdicht – und auch nicht redlich. – Ein Faktencheck.

Am 13. Februar entscheiden die Stimmberechtigten der Schweiz über das Massnahmenpaket des Bundes zugunsten der Medien. Maximal 150 Millionen Franken sollen zusätzlich in die Medienförderung fliessen. Bereits heute und seit Beginn des Bundesstaates wird die Presse staatlich gefördert. Dies geschieht indirekt über Gelder, welche die Zustellung der Presseprodukte an die LeserInnen vergünstigen. Nicht gar so lange werden Lokalradios und Regionalfernsehen unterstützt. Aktueller Stand der Fördergelder: 136 Millionen Franken.

Neben der Aufstockung der Zustellermässigung für abonnierte Tages-, Wochenzeitungen sowie Vereins- und Verbandszeitschriften, neben zusätzlichen Mitteln für die Frühzustellung abonnierter Zeitungen sollen auch Online-Medien gefördert werden. Es sind diese beiden Punkte – die zusätzlichen Mittel für die indirekte Presseförderung und neu für die Online-Medien –, die hauptsächlich umstritten sind und zum Referendum gegen das Medienpaket geführt haben.

Zwei weitere Punkte der Medienförderung sind ausser bei den Hardcore-Wirtschaftsliberalen, die Marktverzerrung ins Feld führen, weitgehend unbestritten: die zusätzlichen Mittel für private Lokalradios und Regionalfernsehen sowie die Stärkung der Nachrichtenagenturen und der Aus- und Weiterbildung von JournalistInnen.

Wen interessieren schon Tatsachen?

Die Gegner des Medienpakets argumentieren zum einen, der grössere Teil der Medienförderung – sie sprechen von 70 Prozent – lande bei den grossen Medienhäusern. Nur ein geringer Anteil sei für die kleinen, regionalen Verlage vorgesehen. Die Aussage bedient in populistischer Manier Ressentiments «gegen die Grossen» und steht in klarem Widerspruch zu den Absichten und Erläuterungen des Bundes. Denn mit der Zustellermässigung, in die 70 Millionen der zusätzlichen 150 Millionen fliessen, wird ein bewährtes Instrument der Presseförderung ausgebaut. Der bisherige Anteil der grossen Medienhäuser Ringier, Tamedia und CH-Medien lag bei gut 20 Prozent. Und ein Paradigmenwechsel ist nicht vorgesehen: «Auch in Zukunft kommt der Grossteil der Gelder kleineren und mittleren Verlagshäusern zugute.»[1] Woher die GegnerInnen die 70 Prozent hernehmen, die angeblich den grossen Häusern zufliessen, bleibt ein Rätsel.

Überhaupt scheinen es die GegnerInnen des Medienpakets mit den Fakten nicht so genau zu nehmen. Den Vogel abgeschossen hat die SVP, die auf ihren Plakaten herausposaunt: «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre». Wer kümmert sich noch um Fakten? Hauptsache, der Slogan knallt. – Beim aktuellen Ausbau der Medienförderung geht es, wie gesagt, um maximal 150 Millionen Franken, die zu den bisherigen 136 Millionen jährlich hinzukommen. Das ist weit von einer Milliarde entfernt, geschweige denn von Milliarden.

Die Unabhängigkeit der Medien als Monstranz

Für die Gegner der Medienförderung gefährdet das Paket die Unabhängigkeit der Medien – und damit die Demokratie. Was sie verschweigen: Die Abhängigkeit von reichen Geldgebern, die Medientitel kaufen, um sie nach ihrem Gusto umzugestalten, stört sie in keiner Weise. Wir haben es erlebt mit der «Basler Zeitung», mit der «Weltwoche», mit dem «Nebelspalter». All diesen Titeln und noch vielen mehr wurde Kraft der Übernahme durch rechtsbürgerliche Financiers ein Stempel aufgedrückt, der sie redaktionell umkrempelte. Solche Übernahmen folgen einer politischen Agenda. Es sind denn auch Männer aus dem Dunstkreis der rechtsbürgerlichen Kampfblätter, welche das Referendum gegen das Medienpaket ergriffen haben. Ihnen ist die staatliche Medienförderung ein Dorn im Auge. Wohl weil sie ihre Felle davonschwimmen und ihren Einfluss zurückgedrängt sehen.

Ein kleines Who is Who des Referendumskomitees:

  • Philipp Gut, ehemaliger Chefredaktor der «Weltwoche»
  • Peter Weigelt, ehemaliger Medienpolitiker vom rechten Rand der FDP, Verleger und Verwaltungsrat verschiedener Medientitel.
  • Markus Somm, ehemaliger Chefredaktor der «Basler Zeitung» von Blochers Gnaden, heute Verwaltungsrat und Chefredaktor des «Nebelspalters». Beide Blätter mutierten unter seiner Führung zu rechtsbürgerlichen Kampfblättern.
  • Konrad Hummler, Privatbankier, Geldgeber und Verwaltungsratspräsident des «Nebelspalters»

Dies sollte reichen, um die Stossrichtung des Referendumskomitees erkennen zu können. Zugegeben, ich habe mit diesen Herren politisch das Heu nicht auf derselben Bühne. So gesehen, bin ich befangen. Doch wenn diese illustre Schar die Unabhängigkeit der Medien wie eine Monstranz vor sich herträgt, bekomme ich das Ohrensausen.

Reflexe gegen die «Mainstreammedien»

Die Gegner des Medienpakets verspüren in der Endphase des Abstimmungskampfs Rückenwind, weil sie eine zurzeit breitschultrige Macht an ihrer Seite haben: die der Corona-Massnahmengegner. Gemeinsam pflegen sie Reflexe gegen die sogenannten «Mainstreammedien». Der Begriff suggeriert zwei Dinge: Einerseits steht er für «gleichgeschaltete Medien», die oft in Verschwörungserzählungen vorkommen. Anderseits steht der Begriff für alle Medien, die nicht der Auffassung derer entsprechen, die ihn in den Mund nehmen. Wahlweise kann der Begriff auch durch den der «Staatsmedien» ersetzt werden.

Auch wenn gleichgeschaltete Medien in manchen Ländern bittere Realität sind, trifft das für die Schweiz ganz klar nicht zu. Tatsache ist hingegen, dass die Medienvielfalt in den letzten Jahren stark gelitten hat, indem vielen kleinen Titeln der wirtschaftliche Schnauf ausging. Entweder gingen sie sang- und klanglos unter. Oder sie wurden von grösseren Medienhäusern einverleibt. Das neue Medienpaket will hier Gegensteuer geben. Es ist ein Kompromiss, ausgehandelt in den eidgenössischen Räten, und hat somit seine Schwachstellen, je nachdem, von welcher Seite man ihn betrachtet. Ihn deshalb zu versenken, halte ich für einen grossen Fehler. Denn es kommt nichts Besseres nach, zumindest nicht in den nächsten Jahren. – Und dann sind die Medien vielleicht tatsächlich gleichgeschaltet, nicht von Staates wegen, sondern weil sie in den Händen von Medienzaren und -mogulen gelandet sind.


[1] https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/uvek/abstimmungen/medienpaket.html

Der schwarze Ritter der Medienvielfalt

Auf dem Platz Basel ist ein Ringen um Medienvielfalt im Gange, das exemplarischen Charakter hat – und groteske Blüten treibt. Im Ring stehen die Stiftung für Medienvielfalt, Ermöglicherin und, via die Neue Medien Basel AG, Besitzerin der TagesWoche, sowie die MedienVielfalt Holding, die neue Besitzerin der Basler Zeitung. Doch wer glaubt, dass damit die Medienvielfalt gesichert ist, täuscht sich.

Medienvielfalt ist ein demokratisches Projekt. Ohne sie verarmt die Demokratie, weil die gesellschaftlichen Fragen nicht mehr in einem grösseren Rahmen und annähernd voraussetzungslos diskutiert werden können und weil die Bürger durch einseitige Information lenkbarer werden. Eine Verarmung der Medienvielfalt hat unmittelbar und zwingend eine Verarmung der Demokratie zur Folge.

Und diese Verarmung ist seit längerem im Gange. In Basel zeigt sich das so:

  • 1977 findet hier die erste grosse Zeitungsfusion der Schweiz statt. Die National-Zeitung – die Anfang der Sechzigerjahre von einer rein bürgerlichen zu einer gesellschaftskritischen, linksliberalen Zeitung wurde – und die Basler Nachrichten – von jeher ein liberal-konservatives Blatt – verschmelzen zur einzigen Tageszeitung in Basel, der Basler Zeitung. Konnte die Leserschaft in Basel bisher zwischen zwei publizistischen Gegenpolen wählen, musste sie sich fortan mit einer einzigen Zeitung begnügen – oder auf ein ausserregionales Blatt ausweichen. Die neue Basler Zeitung versuchte denn auch, es allen recht zu machen und wurde zu einer mittelmässigen Forumszeitung. Gleichzeitig mit der «Fusion» – die rein rechtlich eine Übernahme der Basler Nachrichten durch die National-Zeitung war – wurde das Mitbestimmungsrecht der Redaktion stark beschnitten und gleichzeitig die publizistische Macht des Verlags und des Verwaltungsrats gestärkt.
  • Februar 2010: Die Aktienmehrheit der Basler Zeitung Medien geht von der Verlegerfamilie Hagemann an Tito Tettamanti und Martin Wagner. Die Holdinggesellschaft der Mediengruppe verlegt ihren Sitz nach dem steuergünstigen Zug und heisst von nun an Watt Capital Holding AG. Soweit so banal …
  • Weniger banal ist die Einsetzung von Markus Somm, ehemaliger Chefredaktor der Weltwoche und Intimus von Christoph Blocher, als Chefredaktor. Fortan steuert die Basler Zeitung einen zunehmend rechtsbürgerlichen bis liberal-reaktionären Kurs. In der Redaktion kommt es zu einer entsprechenden Flurbereinigung, teils auf freiwilliger Basis, teils forciert, und erste Proteste unter der angestammten Leserschaft werden laut.
  • Ende November 2010: Nach Tausenden von Abokündigungen, gegen zwanzigtausend Unterschriften unter einen Aufruf von Rettet Basel «gegen die SVPisierung der Schweizer Presselandschaft» und Protestaktionen werfen Tito Tettamanti und Martin Wagner das Handtuch und verkaufen – angeblich – die Basler Zeitung Medien an den in Basel hoch angesehenen Unternehmer Moritz Suter. Doch die wahren Geldgeber bleiben vorläufig im Dunkeln, der Rechtsdrall der Zeitung bleibt erhalten, ja, verschärft sich noch.
  • Mitte April 2011: Als Reaktion auf die Vorgänge um die Basler Zeitung wird die Stiftung für Medienvielfalt «für ein vielfältiges Medienangebot zugunsten einer offenen und toleranten Gesellschaft» gegründet. Als ihre Hauptaufgabe ermöglicht sie die Herausgabe der Tageswoche, die ab Ende Oktober 2011 erscheint. Zwar versteht sich die Tageswoche nicht als «Anti-BaZ», wird aber weitherum als solche wahrgenommen. Eine publizistische Zweitmeinung im Raum Basel ist sie allemal. Hauptgeldgeberin der Stiftung für Medienvielfalt ist übrigens Beatrice Oeri, Spross einer bekannten Basler Mäzenatenfamilie. Sie führt mit ihrem privaten finanziellen Engagement zugunsten öffentlicher Interessen eine bewährte Basler Tradition fort. Und ohne die komfortable Ausstattung der Stiftung mit ihrem Geld gäbe es wohl bis auf weiteres im Raum Basel keine Alternative zur Basler Zeitung.
  • Mitte Dezember 2011: Moritz Suter tritt überraschend von all seinen Ämtern bei der Basler Zeitung zurück. Nun wird publik, dass ein Grossteil der Aktien der Basler Zeitung Medien seit dem Abgang von Tito Tettamanti in den Händen von Rahel Blocher, einer Tochter des SVP-Strategen Christoph Blocher lag. Dieser hatte eine Beteiligung stets abgestritten, was ja auch der rein juristischen Wahrheit entsprach …
  • Zwei Tage später: Tito Tettamanti übernimmt erneut das Szepter bei den Basler Zeitung Medien. Als Mehrheitsaktionär der ad hoc gegründeten MedienVielfalt Holding (mit Sitz im steuergünstigen Zug), welche die BaZ mit allem Drum und Dran erneut übernimmt, tritt er dezidiert als Retter der Medienvielfalt auf.

Die MedienVielfalt Holding will publizistische Macht
Trotz des inflationären Besitzerwechsels in den letzten zwei Jahren sind zwei Dinge konstant geblieben: der rechtsliberale Kurs der Basler Zeitung, hauptsächlich getragen von ihrem Chefredaktor Markus Somm, und die wirtschaftlichen Probleme des Konzerns, der sich in früheren Zeiten der Expansionsgelüste eine überdimensionierte Druckerei angeschafft hatte, die dem Konzern jetzt wie ein (defizitärer) Klotz am Bein hängt. Und genau dies ist ein zentrales Problem: Wer die Basler Zeitung «retten» will, muss ein erhebliches finanzielles Potenzial mitbringen. Und wer dieses Potenzial hat, macht gewöhnlich aus seinem finanziellen Engagement ein ideologisches Projekt.

Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass sich die MedienVielfalt Holding zwar die Medienvielfalt auf die Fahne geschrieben hat, aber tatsächlich nach publizistischer Macht strebt. Schaut man sich den Verwaltungsrat und einzelne Aktionäre an, so wird deutlich, was für ein Machtimpuls hier am Werk ist: Nur ein paar Müsterchen:

  • Verwaltungsrat Robert Nef: Leiter des privaten Liberalen Instituts, das sich für die Freiheit der Besitzenden einsetzt, früher eindringlich vor dem Kommunismus warnte und heute den Sozialstaat grundsätzlich in Frage stellt.
  • Verwaltungsrat Georges Bindschedler: gewichtiger Aktionär und Förderer des Schweizer Monats, einer Zeitschrift, in der «mit elitären und auch antidemokratischen Tönen die Leistungsgesellschaft beschworen» wird (Zitat WoZ, siehe Quellen).
  • Aktionär Daniel Model: Umtriebiger Unternehmer und Utopist, der von einem reaktionären Freistaat im Thurgau träumt und in seinem Unternehmen über knapp 3’000 MitarbeiterInnen gebietet.

Die Liste einschlägig bekannter Leute – es sind hauptsächlich Männer – im Verwaltungsrat und Aktionariat der MedienVielfalt Holding liesse sich beliebig verlängern. (Genaueres dazu im Artikel «Die Vielfalt, die sie meinen» der Wochenzeitung, siehe Quellen.) In der Optik von Tito Tettamanti und den Seinen ist der Medienmainstream von links bestimmt, weshalb es zum Ausgleich und zur Belebung der Medienvielfalt auch Meinungsblätter von rechts brauche. Die Basler Zeitung sei nur ein erstes Projekt in diesem Sinne. Die Holding könne durchaus auch anderswo aktiv werden.

Und was geht das mich an?
Der hetzerische Ton und die teils geradezu menschenverachtenden Kommentare der neuen Basler Zeitung trägt nichts, aber auch gar nichts Konstruktives zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme bei. Vielmehr verschärft sie diese, indem sie ein Klima des Gegeneinanders, der Ausgrenzung und der Polarisierung schafft. Und dies ist bereits deutlich spürbar. Denn die BaZ ist nach wie vor das regionale Leitmedium – und wird es bis auf weiteres auch bleiben. Dass nun die neue Holding als Retterin der Medienvielfalt auftritt, empfinde ich als schlechten Witz und erinnert mich an den Roman «1984» von Georges Orwell, in dem eine neue Sprache geschaffen wird, der Neusprech, um den Blick auf die Wirklichkeit zu verschleiern.

Echte Medienvielfalt lässt sich nur auf demokratischem Weg verwirklichen. Die Medien gehören in die Hände ihrer KonsumentInnen. Deshalb ist auch die Stiftung für Medienvielfalt als Trägerin der Tageswoche eher eine Notlösung denn ein Zukunftsmodell.


Quellen:

Gebt mir meine Tante BaZ zurück!

Die Ereignisse rund um die «Basler Zeitung» überschlagen sich. Heute ist das Blatt erneut mit Stumpf und Stiel verkauft worden – als handelte es sich um eine Prostituierte … (Pardon! Das Bild lässt sich einfach nicht mehr aus meinem Kopf verscheuchen.) Erneuter Besitzer (Freier!) ist Tito Tettamanti, der die BaZ vor eineinhalb Jahren schon mal besass und sich, als er in der Region auf empörte Ablehnung stiess, verärgert zurückzog, nicht ohne Basel vorzuwerfen, es sei eine scheinheilige Provinzstadt geworden, wo geistige Monokultur herrsche. Ebendiese Monokultur will er jetzt mit seiner neu gegründeten «MedienVielfalt Holding AG» aufbrechen. (Es sei reiner Zufall, dass seine AG ähnlich heisst wie die «Stiftung für Medienvielfalt», die Trägerin der neuen, als Alternative zur BaZ lancierten «TagesWoche».)

Herr Tettamanti und seine Gefolgsleute haben ein klares Ziel: Sie wollen eine rechtsbürgerliche Tageszeitung – gegen den mehrheitlichen Willen der angestammten LeserInnen – durchboxen und deren Bestand auf absehbare Zeit sichern. Dazu muss das ganze Firmenkonglomerat mitsamt diverser Grossdruckereien saniert werden. Dafür ist Filippo Leutenegger, eben eingesetzter Verwaltungsratspräsident besagter Holding, goldrichtig. Der Mann fürs Grobe weiss den Stahlbesen zu führen und ist als Reinemacher in der Medienindustrie einschlägig bekannt. Sein Mittun wird die Region etliche Arbeitsplätze kosten.

Was hat das alles mit mir zu tun? Als notorischer Zeitungsleser, der von der BaZ nicht lassen kann – nicht zuletzt weil sie als Tageszeitung in der Region noch immer ein Quasimonopolblatt ist –, werde ich zu Schlagzeilen, Kommentaren und Weltdeutungen genötigt, die ich nun wirklich – ich kann nicht anders – zum grossen Teil jenseits des guten Geschmacks empfinde. Seit Markus Somm als Chefredaktor installiert ist – und das soll dem Vernehmen nach auch so bleiben –, werden mir die abstrusesten Welt- und Menschenbilder um die Ohren gehauen, so dass ich mir oft schon die Augen gerieben habe und mich fragen musste: Lebe ich wirklich auf einem so völlig anderen Planeten als dieser Herr Somm?

Nein! Das ist nicht Medienvielfalt. Das ist Meinungsmache – oft mit geradezu hetzerischer Färbung. Nein! Das ist nicht redlicher Journalismus. Das ist Pamphletismus der übleren Sorte!

«Rettet Basel!», eine Aktion der Plattform «Kunst und Politik», hat deshalb zur Kundgebung «gegen die Blocher-BaZ» aufgerufen. Und ich werde hingehen:

  • weil es mich empört, dass man einer ganzen Region seine Meinung aufdrängen kann, wenn man das nötige Kleingeld dazu hat,
  • weil ich nicht will, dass man meine olle Tante BaZ wie eine Zwangsprostituierte behandelt und unter alternden, aber wirtschaftlich potenten Herren herumreicht,
  • weil die «Basler Zeitung» nicht als Instrument zur SVPisierung der Nordwestschweiz missbraucht werden darf,
  • weil echte Medienvielfalt anders aussieht und
  • weil echte Medienvielfalt eine Voraussetzung für echte Demokratie ist,
  • weil ich meine BaZ zurückhaben will.

***

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Ein Silberstreifen am Horizont der «Basler Zeitung»?

Nun ist öffentlich und bestätigt, was die Spatzen seit langem von den Dächern pfeifen: Christoph Blocher steht zwar nicht nominell, aber faktisch – via seine Tochter Rahel und einem komplizierten Investmentkonstrukt – als Geldgeber und damit Strippenzieher hinter der «Basler Zeitung». Dass die BaZ auch publizistisch nach seiner Pfeife tanzt, ist offensichtlich. Die erzwungene Transparenz der Besitzverhältnisse könnte nun aber neue Bewegung in das Drama «Basler Zeitung» bringen – Eine Zwischenbilanz.

Die Situation war einigermassen absurd: Alle wussten es, viele empfanden es schmerzlich und ein einziger, nämlich CB himself, dementierte immer wieder: Hinter der BaZ und deren neuen publizistischen Ausrichtung ab Oktober 2010 steht Christoph Blocher. Mit der Einsetzung seines Ziehsohns Markus Somm als Chefredaktor war das publizistische Schicksal der BaZ besiegelt. Sie nahm eine scharfe Wende nach rechts – hier und hier habe ich darüber berichtet –, und die Region Basel, von der Tradition her eher ein fortschrittlicher Zipfel der Schweiz mit einer sozialdemokratisch-grünen Regierung in der Stadt, wurde mit einschlägigen Kommentaren und SVP-lastiger Berichterstattung geradezu bombardiert. Es gab Proteste und eine Unmenge an Abokündigungen. Die Plattform «Kunst und Politik» rief die Aktion «Rettet Basel!» ins Leben, und dank einer Mäzenin entstand in der Nordwestschweiz eine neue Wochenzeitung: die «TagesWoche», die zwar nicht als Anti-BaZ verstanden werden will, aber offensichtlich eine Alternative, eine Zweitmeinung zum Monopolblatt BaZ darstellt.

Um die wahren Besitzverhältnisse zu verschleiern – was natürlich der medialen Einflussnahme nur förderlich sein konnte –, wurde der weitherum beliebte Basler Unternehmer Moritz Suter als Besitzer der Basler Zeitung Holding vorgeschoben – ein Strohmann, wie sich nun entpuppt und wie es auch schon seit langem die Spatzen von den Dächern pfeifen. Der gute Ruf des guten Herrn Suter könnte darunter erheblich gelitten haben. Vielleicht schlug er deshalb letzte Woche vor, zumindest einen Teil der Aktien der Holding unters Volk zu streuen.

Rücktrittforderungen
Keine Frage! In das Drama «Basler Zeitung» ist nun Bewegung geraten. Den Stein ins Rollen brachte ein Bericht des «Tages-Anzeigers» vom letzten Mittwoch mit detaillierten Angaben zum aufwendigen Beteiligungskonstrukt, das den direkten Einfluss Blochers garantieren, aber gleichzeitig seine finanzielle Beteiligung verschleiern soll. Die Offenlegung der wahren Verhältnisse dürfte in der Region – und womöglich darüber hinaus – hohe Wellen schlagen: zunächst im Kreis der verbliebenen BaZ-Abonnenten, die über ein Jahr lang an der Nase herum geführt worden sind, aber auch bis hin in die Gefilde des Bundespolitikers Christoph Blocher, der inzwischen ein erhebliche Glaubwürdigkeitsproblem hat. Die SP Basel fordert deshalb seinen Rücktritt – hauptsächlich mit der Begründung, als Politiker und Volksvertreter sei es mit demokratischen Gepflogenheiten nicht vereinbar, mit etlichen Millionen Franken Medienmacht an sich zu reissen und dieses Engagement gleichzeit mit allen Mitteln zu verschleiern. Das sei ein Angriff auf den öffentlichen Meinungsprozess und untergrabe die Demokratie. Auch Chefredaktor Markus Somm, der mit seinen teils haarsträubenden und abstrusen Kommentaren den angestammten Leserinnen und Lesern immer wieder ans Bein pinkelt, müsse zurücktreten.

Ein Silberstreifen am Horizont?
Woher ich die Hoffnung nehme, die «Basler Zeitung» könnte nun in publizistisch redlichere Zonen geraten? Warum ich einen Silberstreifen zumindest am publizistischen Horizont der BaZ sehe? Nun, eines ist sicher: Die mediale Usurpation der Nordwestschweiz durch das Blocher-Imperium und die SVP ist in der vorgesehenen Form jedenfalls gescheitert. Der Flurschaden indessen ist gross, die «Basler Zeitung» in der heutigen Form über kurz oder lang wohl am Ende. Und was nachher kommt, kann ja nur besser werden.

Was mich auch zuversichtlich stimmt: Die Öffentlichkeit hat nun, gleichsam zu Illustrationszwecken, ein Lehrstück in Sachen Aneignung von Medienmacht um die Ohren gehauen bekommen. Das tut weh, weckt auf – und sensibilisiert. Eine «Petition zur Offenlegung der Eigentumsverhältnisse an Medienunternehmen» ist lanciert. Und nicht zuletzt: Unabhängiger, redlicher Journalismus könnte wieder Rückenwind erhalten. Man wird ja wohl noch träumen dürfen …

Ist die Occupy-Bewegung kommunistisch?

Es ist nicht das erste Mal, dass die weltweite Protestbewegung der Empörten als kommunistischer Impuls verleumdet wird. Der Vorwurf ist falsch, widerspiegelt aber meines Erachtens zwei Dinge: ein Dilemma auf Seiten der Empörten und eine Art Anerkennung durch ihre Gegner.

In der Printausgabe der «Basler Zeitung» vom 12. November kommentiert der amerikanische Historiker Ronald Radosh unter dem Titel «Der stete Charme des Kommunismus» in scharfen Worten die Motive der Occupy-Bewegungen in den USA und Europa. Sie, die Bewegungen, forderten dasselbe wie dazumal die Kommunisten: Neuverteilung des Einkommens, Gleichheit und Fairness. Das erinnere fatal an das Europa der 1930er Jahre. Überhaupt sei der Kommunismus auch heute noch ein bedeutendes Phänomen. Besonders in Krisenzeiten werde er als Hoffnungsträger wahrgenommen. Vergessen gehe dabei allerdings, dass der Kommunismus durchwegs totalitären Charakter annahm. Der Kommentar gipfelt in einer üblen Beschimpfung der Protestbewegung:

«Der ‹Occupy Wall Street›-Haufen nennt sich nicht ‹Kommunisten›. Diejenigen, die am meisten Beachtung finden, sind selbsterklärte Anarchisten, andere wieder Sozialisten, Radikale verschiedener Richtungen, Demagogen, Antisemiten, Mitglieder verschiedener ultralinker Gruppen und so weiter. Insgesamt bilden sie eine oft zusammenhanglose Gruppe radikaler Aktivisten, die darauf aus sind, das System umzustürzen.»

Getrost könnte man den Kommentar links – pardon, rechts liegen lassen. Er ist höchst demagogisch und sachlich nicht haltbar. Trotzdem ist er ein paar Gedanken wert, da er auf zwei Symptome im Zusammenhang mit der Protestbewegung hinweist.

Das Dilemma der Protestbewegung
Zum einen ist da ein Dilemma innerhalb der Occupy-Bewegung, das allerdings auch ein gesamtgesellschaftliches Dilemma widerspiegelt: Als Kritiker des heutigen Radikalkapitalismus wird man sogleich als Kommunist oder wenigstens als Sozialist abgestempelt. Das ist nicht viel anders als der Vorwurf des Antisemitismus, der sich gegen sämtliche Kritiker der israelischen Politik richtet. Der vorschnelle Stempel des Kommunismus ist ein Totschlagargument, zeigt aber auch, dass jenseits von Kapitalismus und Kommunismus, jenseits von links und rechts kaum Ideen für eine sachliche Gesellschaftsreform bestehen. Dass aber solche Ideen dringend nötig sind, können nur die paar wenigen Profiteure der heutigen Zustände leugnen. Es fehlen schlicht Perspektiven, wie man die soziale Frage auch noch angehen könnte – sowohl bei der Occupy-Bewegung wie auch gesamtgesellschaftlich. Natürlich gibt es einzelne Ideen wie das bedingungslose Grundeinkommen, die Tobin-Steuer, die Freigeld-Initiativen. Doch der grosse Wurf hin zu einer menschlicheren Gesellschaft ist nicht in Sicht. Allerdings: Vielleicht ist das auch gut so. Die grossen Würfe haben meistens ins Verderben geführt …

Keine pfannenfertige Konzepte
Mit dieser Frage «Wie weiter?» ringen meines Erachtens die Protestbewegungen seit Monaten. Und es stimmt mich zuversichtlich, wenn ich beobachte, wie es sich die Menschen auf den Strassen und öffentlichen Plätzen mit Antworten nicht leicht machen. Es herrscht eine ausgesprochene Skepsis gegenüber vorgefertigten Konzepten – und gegen die Konzepte der etablierten Politik sowieso. Im Zentrum stehen die Erfahrungen, Träume und Ideen der einzelne TeilnehmerInnen. Die Bewegung «Occupy Wall Street» in den USA wie die Schwesterbewegung «15-M» in Europa stellen deshalb zweifellos eine neuartige soziale Kraft dar. Und es ist äusserst wichtig, dass sie den kommenden Winter überstehen.

Die Angst vor der Bewegung
Das führt mich zum zweiten Symptom, das ich aus dem Kommentar in der «Basler Zeitung» herauslese: Wenn die Protestbewegung mit dem Kommunismus gleichgesetzt wird, so ist das zwar falsch, widerspiegelt aber den Stellenwert, den ihr die Gegner beimessen. Es ist eine Art Anerkennung. Die Empörten können nicht mehr ignoriert werden, und ihre Bewegung erreicht womöglich eine gesellschaftliche Dimension und Durchschlagskraft wie dazumal der Kommunismus – so jedenfalls die Angst mancher Kommentatoren.

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Bild (CC-Lizenz): Vor dem Reichstag, Berlin, cadillacdeville2000 via Flickr.