Es wird knapp. Bei der kommenden Abstimmung über einen Ausbau der staatlichen Medienförderung in der Schweiz gewinnen die Gegner Rückenwind. Sie haben das Referendum dagegen ergriffen, um angeblich die Unabhängigkeit der Medien zu stärken und «Staatsmedien» zu verhindern. Doch ihre Argumente sind nicht wasserdicht – und auch nicht redlich. – Ein Faktencheck.
Am 13. Februar entscheiden die Stimmberechtigten der Schweiz über das Massnahmenpaket des Bundes zugunsten der Medien. Maximal 150 Millionen Franken sollen zusätzlich in die Medienförderung fliessen. Bereits heute und seit Beginn des Bundesstaates wird die Presse staatlich gefördert. Dies geschieht indirekt über Gelder, welche die Zustellung der Presseprodukte an die LeserInnen vergünstigen. Nicht gar so lange werden Lokalradios und Regionalfernsehen unterstützt. Aktueller Stand der Fördergelder: 136 Millionen Franken.
Neben der Aufstockung der Zustellermässigung für abonnierte Tages-, Wochenzeitungen sowie Vereins- und Verbandszeitschriften, neben zusätzlichen Mitteln für die Frühzustellung abonnierter Zeitungen sollen auch Online-Medien gefördert werden. Es sind diese beiden Punkte – die zusätzlichen Mittel für die indirekte Presseförderung und neu für die Online-Medien –, die hauptsächlich umstritten sind und zum Referendum gegen das Medienpaket geführt haben.
Zwei weitere Punkte der Medienförderung sind ausser bei den Hardcore-Wirtschaftsliberalen, die Marktverzerrung ins Feld führen, weitgehend unbestritten: die zusätzlichen Mittel für private Lokalradios und Regionalfernsehen sowie die Stärkung der Nachrichtenagenturen und der Aus- und Weiterbildung von JournalistInnen.
Wen interessieren schon Tatsachen?
Die Gegner des Medienpakets argumentieren zum einen, der grössere Teil der Medienförderung – sie sprechen von 70 Prozent – lande bei den grossen Medienhäusern. Nur ein geringer Anteil sei für die kleinen, regionalen Verlage vorgesehen. Die Aussage bedient in populistischer Manier Ressentiments «gegen die Grossen» und steht in klarem Widerspruch zu den Absichten und Erläuterungen des Bundes. Denn mit der Zustellermässigung, in die 70 Millionen der zusätzlichen 150 Millionen fliessen, wird ein bewährtes Instrument der Presseförderung ausgebaut. Der bisherige Anteil der grossen Medienhäuser Ringier, Tamedia und CH-Medien lag bei gut 20 Prozent. Und ein Paradigmenwechsel ist nicht vorgesehen: «Auch in Zukunft kommt der Grossteil der Gelder kleineren und mittleren Verlagshäusern zugute.»[1] Woher die GegnerInnen die 70 Prozent hernehmen, die angeblich den grossen Häusern zufliessen, bleibt ein Rätsel.
Überhaupt scheinen es die GegnerInnen des Medienpakets mit den Fakten nicht so genau zu nehmen. Den Vogel abgeschossen hat die SVP, die auf ihren Plakaten herausposaunt: «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre». Wer kümmert sich noch um Fakten? Hauptsache, der Slogan knallt. – Beim aktuellen Ausbau der Medienförderung geht es, wie gesagt, um maximal 150 Millionen Franken, die zu den bisherigen 136 Millionen jährlich hinzukommen. Das ist weit von einer Milliarde entfernt, geschweige denn von Milliarden.
Die Unabhängigkeit der Medien als Monstranz
Für die Gegner der Medienförderung gefährdet das Paket die Unabhängigkeit der Medien – und damit die Demokratie. Was sie verschweigen: Die Abhängigkeit von reichen Geldgebern, die Medientitel kaufen, um sie nach ihrem Gusto umzugestalten, stört sie in keiner Weise. Wir haben es erlebt mit der «Basler Zeitung», mit der «Weltwoche», mit dem «Nebelspalter». All diesen Titeln und noch vielen mehr wurde Kraft der Übernahme durch rechtsbürgerliche Financiers ein Stempel aufgedrückt, der sie redaktionell umkrempelte. Solche Übernahmen folgen einer politischen Agenda. Es sind denn auch Männer aus dem Dunstkreis der rechtsbürgerlichen Kampfblätter, welche das Referendum gegen das Medienpaket ergriffen haben. Ihnen ist die staatliche Medienförderung ein Dorn im Auge. Wohl weil sie ihre Felle davonschwimmen und ihren Einfluss zurückgedrängt sehen.
Ein kleines Who is Who des Referendumskomitees:
- Philipp Gut, ehemaliger Chefredaktor der «Weltwoche»
- Peter Weigelt, ehemaliger Medienpolitiker vom rechten Rand der FDP, Verleger und Verwaltungsrat verschiedener Medientitel.
- Markus Somm, ehemaliger Chefredaktor der «Basler Zeitung» von Blochers Gnaden, heute Verwaltungsrat und Chefredaktor des «Nebelspalters». Beide Blätter mutierten unter seiner Führung zu rechtsbürgerlichen Kampfblättern.
- Konrad Hummler, Privatbankier, Geldgeber und Verwaltungsratspräsident des «Nebelspalters»
Dies sollte reichen, um die Stossrichtung des Referendumskomitees erkennen zu können. Zugegeben, ich habe mit diesen Herren politisch das Heu nicht auf derselben Bühne. So gesehen, bin ich befangen. Doch wenn diese illustre Schar die Unabhängigkeit der Medien wie eine Monstranz vor sich herträgt, bekomme ich das Ohrensausen.
Reflexe gegen die «Mainstreammedien»
Die Gegner des Medienpakets verspüren in der Endphase des Abstimmungskampfs Rückenwind, weil sie eine zurzeit breitschultrige Macht an ihrer Seite haben: die der Corona-Massnahmengegner. Gemeinsam pflegen sie Reflexe gegen die sogenannten «Mainstreammedien». Der Begriff suggeriert zwei Dinge: Einerseits steht er für «gleichgeschaltete Medien», die oft in Verschwörungserzählungen vorkommen. Anderseits steht der Begriff für alle Medien, die nicht der Auffassung derer entsprechen, die ihn in den Mund nehmen. Wahlweise kann der Begriff auch durch den der «Staatsmedien» ersetzt werden.
Auch wenn gleichgeschaltete Medien in manchen Ländern bittere Realität sind, trifft das für die Schweiz ganz klar nicht zu. Tatsache ist hingegen, dass die Medienvielfalt in den letzten Jahren stark gelitten hat, indem vielen kleinen Titeln der wirtschaftliche Schnauf ausging. Entweder gingen sie sang- und klanglos unter. Oder sie wurden von grösseren Medienhäusern einverleibt. Das neue Medienpaket will hier Gegensteuer geben. Es ist ein Kompromiss, ausgehandelt in den eidgenössischen Räten, und hat somit seine Schwachstellen, je nachdem, von welcher Seite man ihn betrachtet. Ihn deshalb zu versenken, halte ich für einen grossen Fehler. Denn es kommt nichts Besseres nach, zumindest nicht in den nächsten Jahren. – Und dann sind die Medien vielleicht tatsächlich gleichgeschaltet, nicht von Staates wegen, sondern weil sie in den Händen von Medienzaren und -mogulen gelandet sind.
[1] https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/uvek/abstimmungen/medienpaket.html
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